27. September 2023 – von Morton Tartas

Scheppern im Morgengrauen.

Wach, doch unwillig, das Bett zu verlassen. Jess ist bereits mit der Schreibarbeit voran – das flirrend schnelle Tippen ihrer Tastatur kurbelt den Herzschlag an.

Immer noch nicht bereit, mich dem Tag zu widmen, lese ich bei Shirley Jacksons „Hill House“ weiter, ich werde den ganzen Tag über gehend, fahrend, wartend noch darin spuken. Trotz Sonnenlichts stehe ich auf, mache mir Kaffee – schwarz wie eine mondlose Mitternacht, Pete – und nehme ihn mit zum Duschen. Während das Wasser warm wird, wähle ich den Beitrag von Arte-Tracks zum zeitgenössischen Leben der Russ*innen aus und staune, wie lange ich ohne Nachrichten zurechtgekommen war. Angesichts der Pandemie und des Kriegs schien mir die Welt zu drückend, die Weite im direkten Umfeld fehlte mir zum Ausgleich, sodass ich seit bald einem Jahr auf Zeitungen, Radio etc. verzichtend kein gutes Argument für „man muss doch auf dem Laufenden sein“ entdecken konnte.

Während meine veraltete, doch geliebte Kartoffel von Rechner rauffährt, lesend wartend gruselnd. Mein Herbst, Jess, und ich planen die gemeinsamen Urlaubstage, während es draußen schon so warm hereinscheint, dass unser Gast, ein Tagpfauenauge, sich eventuell ein anderes Domizil für die Wintertage suchen mag. Ich täte es ihm auf kosmischer Ebene gern gleich und suchte mir fliegend irgendein Plätzchen auf Pluto – kühl, ausgestoßen aus der Runde echter Planeten.

Vorher jedoch muss ich zur Arbeit. Da mein Rad mich zuletzt abgeworfen hatte, mir das Knie noch immer schmerzt und mein Gang seitdem im besten Fall betont lässig wirkt, vielleicht smooth, nutze ich das Deutschlandticket zur Fülle und bereue diese Abofalle mehr oder weniger. Kürzlich strichen sie die Buszeiten, ich kann entweder zu früh oder zu spät da sein.

Entscheide mich für zu früh, bekomme den dann doch nicht, laufe also lässig smooth einen Kilometer zur Haltestelle einer anderen Linie. Aber das Wetter ist schön. So schön sonnig.

Im Bus wechsele ich zwischen Pokémon GO (very late to the game) und Blue Sky (seit Anfang an dabei) am Handy, Hill House am Reader hin und her, versuche vor Dienstbeginn so viel Freizeit zu konsumieren wie möglich.

Arbeit – Schweigepflicht. Und das als Philosoph.

Zu Feierabend freue ich mich über Nachrichten von Schreibenden und Canelloni, treffe auf Jess und Kathi und führe diesen Tagebucheintrag, lachend lesend gruselnd.

Auf dem Heimweg leiht Jess mir ein Rad, wir kommen an betrunken Schreienden und nüchtern mit dem Fahrrad an Laternen Abprallenden vorbei. Ziemlich guter Schnitt für einen Mittwoch.

Der Tag vergeht mit der Gute-Nacht-Lektüre, als Jess und ich endlich die Türen hinter uns zufallen lassen und wir uns in Hill House auf den nächsten viel zu warmen Tag lachend schlafend gruselnd vorbereiten.

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