27. September 2023 – von chrinamu

Noch bevor der Wecker um 6 Uhr piepst, marodiert die ältere Katze laut klagend durch die Wohnung. Der Liebste, die andere Katze und ich werden allesamt wach davon und versuchen, es zu ignorieren. Dann piepst der Wecker wirklich, der Liebste steht auf und geht ins Bad, woraufhin die Katze befriedigt verstummt. Womöglich hat sie sich nur allein gefühlt.

Bis ich mich gewaschen und angezogen habe, hat der Liebste Kaffee gekocht und mir netterweise Frühstück gemacht. Wir sitzen eine halbe Stunde zusammen und reden über die bevorstehenden Tage. Er fährt heute zu einer Konferenz, ich habe einen unangenehmen Termin morgen im Büro vor mir, bevor wir uns dann am Freitag in Utrecht treffen, um das lange Wochenende bei einer dort lebenden Freundin zu verbringen. Wir reden außerdem darüber, welche Alternative zu Twitter sich langfristig etablieren könnte. Draußen ist es noch kühl, aber es steht ein sonniger Spätsommertag mit 24° bevor.

Um kurz nach sieben zieht der Liebste mit Koffer, Rucksack und Anzugtasche von dannen. Ich putze mir die Zähne, stecke mir die Haare hoch (endlich sind sie wieder lang genug dafür!), räume ein bisschen auf und stelle die Waschmaschine an, da ich heute zu Hause arbeite. Am Vorabend war ich auf einer Kleidertauschparty bei einer Kollegin, ich entscheide mich aber dagegen, die dort erbeuteten drei T-Shirts zu waschen, und lege sie direkt in den Schrank. Bevor ich den Bürolaptop anschalte, setze ich mich noch kurz mit dem eigenen Laptop aufs Sofa, notiere die ersten Zeilen zum Tag und schreibe den längst fälligen Blogartikel zur Kidical Mass am vergangenen Sonntag.

Um acht Uhr wechsele ich das Gerät und beginne zu arbeiten. Es ist ein eher ruhiger Tag mit wenigen Mails, niemand ruft an. Einige meiner Kolleg*innen sitzen allerdings in einem ganztägigen Workshop, eine andere Kollegin meldet sich krank. Meine Stimmung ist eher gedämpft, der unangenehme Termin morgen bedrückt mich ein wenig und unausgeschlafen bin ich auch. Zwischendurch hänge ich die Wäsche auf und esse ein bisschen Müsli mit Trauben (aus dem Garten). Um zwölf Uhr mache ich Pause, esse ein paar Käsebrote mit Tomaten (auch aus dem Garten), Essiggurken und Chutney und schaue in die privaten Mails.

Der Blogbeitrag, den ich am frühen Morgen schrieb, ist bereits online, schreibt B. Ich mache den Abwasch und gehe kurz auf den Balkon, Sonne tanken. Ich stelle fest, dass auf meiner Hose, die ich morgen nochmal anziehen wollte, ein Waschmittelfleck ist. Morgen und in den nächsten Tagen soll es nochmal sommerlich heiß werden. Die Klimakrise wird jedes Jahr deutlicher spürbar, und der Trotz der Menschheit ebenfalls.

Die Nachrichten sind nicht gerade erfreulich, aber heute einigermaßen unspektakulär. Allerdings wird über die diversen Katastrophen der vergangenen Tage (Libyen, Berg-Karabach) schon fast nicht mehr berichtet. Und dass Deutschland offenbar die letzten Reste seines Asylrechts auch noch entsorgen möchte, scheint auch kaum jemanden zu empören. Auf Twitter entdecke ich eine Umfrage des SWR, derzufolge die Zustimmung zur AfD auch in Baden-Württemberg stark wächst. Ein Drittel der Befragten ist der Meinung, die AfD sei näher dran an den Sorgen der Bürger als andere Parteien. Wie bitte?

Um zwei Uhr habe ich eine kurze Videokonferenz mit Kolleg*innen, in der ich drei Projektideen vorstelle, dann geht es weiter mit Stillarbeit. Nach Feierabend schaue ich in die sozialen Medien und weine eine Träne für Cairo, die Katze von Patti Smith, die mit 22 Jahren gestorben ist. Meine zwei Katzen liegen tief schlafend neben mir auf dem Sofa bzw. auf dem Sessel. Danach setze ich mich auf den Balkon und lese ein bisschen Agatha Christie. Bevor ich um halb sechs zum Sport gehe, füttere ich noch die Katzen.

Heute findet das letzte Mal Sport im Park statt, die Saison geht zu Ende. Mittlerweile liegt der Südheimer Platz, auf dem wir im Juli und August noch in der Abendsonne trainiert haben, um 18 Uhr schon komplett im Schatten. Die Zahl der Teilnehmenden ist auch kleiner geworden. Wir machen eine Stunde Functional Fitness, leider vertritt sich eine Frau den Knöchel dabei. Die nette C. holt ihr eine Eispackung aus der Pizzeria nebenan. Zwischendurch kommt C. einmal zu mir und lüpft etwas verlegen ihr T-Shirt, ihr sei da am Sport-BH etwas aufgegangen, ob ich das wieder einhaken könne. Ich suche und suche nach dem Haken, bis sich herausstellt, dass alles in Ordnung ist.

Anschließend kommen die Leute aus der Capoeiragruppe, und wir trainieren noch ca. eine halbe Stunde Capoeira, bis es so dunkel wird, dass M. behauptet, meine Tritte nicht mehr kommen zu sehen. Er hat seine sechsjährige Tochter mit, ein selbstbewusstes Energiebündel, das alle bezaubert. Die frühe Dunkelheit hat allerdings auch den Vorteil, dass ich einfach auf dem Platz mein T-Shirt wechseln kann, bevor wir in die Pizzeria zum Abschlussessen gehen.

Wir sind etwa zu acht, sieben Erwachsene und ein Kind. Die Pizza (in meinem Fall Rote Bete mit Gorgonzola) ist ungemein lecker, und ich trinke ein Radler dazu, was ich nur nach dem Sport tue. Die Gespräche drehen sich um Schulen und um anstehende Capoeiraworkshops. Offenbar gibt es im November ein globales Online-Event, bei dem die Teilnehmenden nach Zeitzonen sortiert werden.

In der Bahn höre ich wie schon auf der Hinfahrt ein Telefonat mit, in dem ein junger Typ einen »Bro« zu einem lukrativen Geschäft überreden will. Mit feinen Unterschieden: Der Mann auf der Hinfahrt war eloquenter und leicht in der Defensive – »Warum reden wir über die Vergangenheit? Du weißt doch, ich küss dein Herz, aber schenk mir nur eine Minute deiner Zeit.« Der zweite ist hektischer und sagt ständig »Tamam, Bro«. Später steigt eine Person über fünfzig ein, die ich von der Frisur und der Kleidung her als Mann ›lese‹, die aber hochhackige schwarze Lackpumps trägt. Allerdings werden die Pumps, kaum dass die Person sich gesetzt hat, gegen weiße Turnschuhe eingetauscht.

Um kurz nach 22 Uhr bin ich zu Hause und werde von den Katzen begrüßt, der Vollmond scheint bleich durch die Dachfenster. Ich überlege kurz, ob ich abends noch meinen Tag-im-Jahr-Text zu Ende schreiben soll, entscheide mich aber doch fürs Bett. Morgen ist auch noch ein Tag. Allerdings hält mich die ältere Katze noch eine Stunde oder länger durch energisches Nörgeln wach. Und damit tue ich in diesem Text das, was mich an journalistischen Essays oft nervt – ich greife zum Schluss ein Motiv vom Anfang wieder auf.

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