27. September 2022 – von Morton Tartas

Es ist Morgen.

Das ist ein Gedanke, der mich bereits aus dem Alltag fallen lässt. Ich will genug erzählenswertes erlebt haben, wenn der Abend kommt und damit der Moment, das Geschehene festzuhalten.

Dieser morgendliche Impuls macht unfrei. Das alles noch vor dem Aufstehen.

Kaffee sorgt dann aber für den nötigen Freiraum, schwarz und noch heiß füllt er die Zeit vom Starten meines Rechners bis zum mühsam erscheinenden Aufbau des Desktops. Während meine Frau Jess sich für den Tag bereit macht, setze ich meine Übersetzung fort, die ich für den Festa-Verlag schreibe. Genauso sehr wie das Schreiben liebe ich die Kartoffel von Computer: ein jedes Fenster öffnet sich mit hörbaren Schnarren, alles dauert so lang, ich komme ins Denken. Dem begegnet ein zweiter Kaffee, auch mache ich zum Übersetzen Musik an – in der Hoffnung, der Prozessor springt nicht durch die Seitenwand.

Ich komme rein in den Text, die Dialoge ziehen mich besonders in ihren Bann. Billy Corgan, der während seiner Pause von den Smashing Pumpkins mit absoluter Sicherheit vor einigen Jahren als Schaffner bei der Bahn mein Ticket kontrollierte begleitet mich musikalisch bis zur Mittagspause.

Es ist Tag.

Die Pause verbringe ich damit, mir wiederum den Abend vorzustellen, wie ich an diesem heutigen Tag schreiben werde, wie ich versuche, mich kurz zu fassen und doch überhaupt etwas zum Schreiben zu haben. Die Sonne scheint zwischendurch zum Fenster herein. Beim Essen – es gibt Sauerkraut mit Tofu und getrockneten Maronen – hole ich den Anfang von ‚Sandman‘ auf Netflix nach, um später mit Jess weiter schauen zu können.

Mit einer Tasse Kaffee geht es noch mal an den Schreibtisch, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit in der Wohngruppe mache.

Natürlich regnet es. Passend dazu habe ich es immer noch nicht geschafft, ein neues Schutzblech am hinteren Rad meines Fahrrads anzubringen.

In der Wohngruppe gibt es erstmal Kaffee. Ein roter Faden?

Solange ich dort bin, bleibt keine Zeit, an den Abend zu denken. Wenn man mit Menschen zu tun hat, ist alles auf einmal, und davon nicht zu wenig. Heute geht es allen wunderbar, zum Feierabend bin ich voller Stimmen, die ich noch sortieren muss.

Es ist Abend.

In der Schwärze der Nacht fallen die Regentropfen klarer auf. Ich rufe Jess an und muss mein Rad deshalb ein gutes Stück schieben, weil ich keine Freisprechfunktion nutzen kann und wir doch nicht auflegen wollen. Zu lange haben wir uns nicht gesehen, gehört, gespürt. Irgendwann sehe ich, wie jedes Mal, dann doch ein – je schneller mit dem Rad zu Hause, desto eher haben wir uns wieder.

Auf dem Heimweg lasse ich HIM laufen. Ich muss feststellen, dass es für eine Radfahrt durch den nächtlichen Regen wohl keine bessere musikalische Untermalung gibt.

Pizza und Sandman, dann diese Worte hier. Ich freue mich, es war doch was los.

Es ist Geisterstunde.

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