Es gibt keine Worte mehr.
Also es gibt sie noch, aber sie bedeuten nichts mehr.
Jedenfalls nicht das, was sie sollen.
Was ich will, dass sie bedeuten.
Was ihr wollt, dass sie bedeuten.
Ich schaue auf die WhatsApp-Nachricht einer Person, der ich vor Jahren noch sehr nahe war. Ob wir uns treffen wollen. Bisschen im Park spazieren gehen. Seit einer Woche schaue ich schon auf das Display und kann und will nicht antworten. Es gibt nichts zu sagen. Und ich will auch nichts mehr hören. Warum zuhören, wenn es nur Worte sind? Einem Schlag ins Gesicht würde ich zuhören. Hab meine Zähne in den letzten Jahren so verkackt, ich brauche eh neue. Bitte schlagt mich! Herr, schlag nur einmal zu, so wird meine Seele gesund.
Meinung. Sorge. Satire. Demokratie.
Medien. Moral. Respekt. Clement.
Wolfgang Clement ist heute gestorben, es regnet viele Worte. Es macht sich der Himmel auf und eine Armada von Robotern schmeißt sie auf die Leute nieder, welche die Mikrofone von Talkshowtischen nehmen wollen, um sie denjenigen zu geben, die in den Jugendstrafanstalten sitzen. Und dann werden sie schreien und jemand wird daraus ein TikTok-Video machen. #ratatata! Oh Judith, bitte gib mir nur ein Wort, mein Schweigen ist mein Zelt.
Drei kleine Katzen spielen vor meinen Füßen. Zwei von ihnen haben sich schon den Schnupfen eingefangen, der ihre Augen und Nasen immer mehr verkleben wird, bis sie keinen Bissen mehr herunterbekommen werden. Dann komme ich in zwei oder vier oder zwanzig Wochen wieder (Polen wird bestimmt auch noch zum Corona-Risikogebiet erklärt werden, yes, jetzt hab ich das Thema doch noch eingebaut, obwohl ich das gar nicht wollte), finde sie unter der Fetten Henne, grab ein Loch und leg sie hinein. Wie so ein Totengräber in der Lombardei oder in New York. Kein Gebet, kein Wort.
Zusammenhalt. Spaltung.
Leben. Tod.
Meine Gedanken bestehen nur noch aus Versatzstücken. (Die Gefühle auch.) Aus Worten, die andere gesagt haben, die wieder andere gesagt haben, weil es andere so schön gesagt haben. Aus Filmszenen, Songtexten, Memes. Nur noch Ekel, das als irgendetwas Eigenes verkaufen zu wollen. Ob Wittgenstein sich bewusst darüber war, in welche Isolation er die Menschen mit seinem Privatsprachenargument schicken würde? Natürlich kann man das alles neu anordnen, verknüpfen und kombinieren und es scheint dann fast so, als würde tatsächlich das Eigene leuchten, aber auch das werden bald Algorithmen übernehmen: schneller, besser, gewitzter. Das Leben als ständiger, umgekehrter Turing-Test.
Ich stehe mit meiner Mutter auf dem Parkplatz vor ihrer Berliner Wohnung. Sie gibt mir ihr Handy, wir schauen beide nach oben, Dunkelheit. Ich öffne die Nooie-App und tippe auf „Wohnzimmer“. Die App schickt ein Datenpaket zum Sendemast, durch Deutschland, nach China, zurück, in den Router, die Steckdose – und ein Licht geht an. Wir lachen und springen vor Freude. Glück pur.
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