27. September 2023 – von Michael Held

Der Wecker klingelt unbarmherzig. Schwerer Nebel, Wolken ziehen durchs Dachgeschoss. Lose Fäden aufsammeln, die To-Do-Listen im Traum. Dieser Tag wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.

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Der Wecker klingelt unbarmherzig. Das Kind dreht sich noch einmal herum, zieht die Decke über den Kopf, in seinem noch fremden Zimmer, jenseits aller Meere. Die Stadt brandet gegen die Fenster, dort, Blick über Hausdächer, unsortiert.

Zum Frühstück gibt es Fragen, Haferflocken, Nieselregen. Die Rücklichter der Autos wie fremde Raumschiffe. Der Schulbus windet sich die Straße entlang, wird kleiner, verschwindet am Horizont. Zurück bleibt nur eine Erinnerung.

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Auf der Arbeit keine besonderen Vorkommnisse. Das andere Kind abholen, Hausaufgaben, Eishockey. Alltagsdinge, Alltagsfarben, Alltagsmenschen. Hinter den Bäumen der See, herbstgrau, letzte Kursschiffe. Stille Tage, Zwischenzeit.

Wovon aber noch berichten, der Einsamkeit, dem langsamen Verstreichen der Tage, den Untätigkeiten der Nacht. Abends sind die Leitungen gekappt, lauscht das Kind dem Rauschen der Zeit, zählt die Tage. Wozu lohnt es zu leben, wohin mit den Gedanken, in der Enge des Zimmers.

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Der Tag zerfasert. Küche, Wohnzimmer, Dusche. Ein nichtssagender französischer Film. Als Depardieu auftritt, schalte ich ab.

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Es gab andere Zeiten, es wird neue Zeiten geben. Das Kind blickt aus dem Fenster, Vollmond, die Zukunft schon sichtbar. Wie es wohl sein wird, in zehn Jahren, in fünfzig, auf diesem Wüstenplaneten. (David Lynch schreibt schon am Drehbuch.)

Noch immer schwelt der Krieg, am Rand der Wahrnehmung und anderswo. Kehren die Enten zurück, aus den menschenleeren Ebenen. Blixa singt im Hintergrund leise vor sich hin, zwischen Himmeln eingeklemmt. Benito Mussolini lächelt, hinter den fernen, einstürzenden Bergen, alles läuft nach Plan. Die Welt geht ihren gewohnten Gang.

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