Ziviltechnikgutachten. Es ist das erste Wort, an das ich nach dem Aufwachen denke. Wie kann eine Sprache, die ich so mag, derart hässliche Wörter hervorbringen? Während der Kaffee zieht, google ich Gutachter*innenkosten und verderbe mir den Start in den Tag zum zweiten Mal.
Beim Frühstück lenkt mich Schimmel im frisch geöffneten Glas Marmelade ab. All die Arbeit, die darin steckt, das Pflücken der Beeren, das Einkochen, das Beschriften, landet im Mistkübel (Bei welchem Schritt ist etwas schief gelaufen?). Mein Blick ist auf die Uhr geheftet und ich beiße mir mehrmals auf die Zunge, um das Kind nicht ununterbrochen zu mehr Eile anzutreiben.
Es nieselt vor sich hin und ich will nicht sofort an den Schreibtisch. Lieber erst eine Runde im nahen Park laufen. Eine Art Neustart, eine zweite Chance für diesen Tag. Über Nacht scheinen die Kastanienbäume braun geworden zu sein. Herbst also. Die aufgesprungenen stacheligen Hüllen der Früchte liegen zertreten über die Wege verteilt.
Keine Kopfhörer, keine Musik, kein Podcast. Ich bin mit meinen Gedanken allein. Sie tragen mich weiter weg als mir lieb ist. So bleibt das den Rest des Tages. Ständig abwesend. Wie passend, dass ich ausgerechnet heute Kontaktlinsen in der falschen Stärke trage. Das bemerke ich allerdings erst am Abend beim Einkaufen. Davor denke ich am Schreibtisch über Trauma in der postjugoslawische Literatur nach und beim Mittagessen ein bisschen über Katharina Kepler, die Mutter des Physikers Johannes Kepler, der einst ein Hexenprozess gemacht wurde. Aber, ja, auch die Sache mit dem Ziviltechnikgutachten lässt mir keine Ruhe und ich gehe I. damit auf die Nerven.
Am Nachmittag gibt es etwas anzustoßen. Im Stehen und zwischen Tür und Angel. Unfertig fühlt sich dieser Tag an. Oder, richtiger vielleicht, etwas unbeholfen. Als ob er nicht genau wüsste, in welche Richtung er kippen soll. Zu meinem Glück will das Kind noch raus und bringt mich auf andere Gedanken. Wir lassen uns durchs Grätzel treiben, uns davon verschlucken und irgendwo ausspucken. Zumindest bemühen wir uns redlich. Seit den Pandemiespaziergängen gibt es kaum Flecken, an denen wir nicht schon viel zu oft vorbeigekommen sind. Das Ritual tut trotzdem das Seine. Draußen in den Straßen dunkel und herbstfrisch, drinnen in den Lokalen und Wohnungen hell und menschenwarm. Durchatmen. Hier sein.
Auf Acid, steht in rostroten Buchstaben an der einen Wand, auf Acid hab ich nur dich vor Augen. Darunter hat jemand ein Gesicht mit weit herabhängenden Mundwinkeln gesprayt. Zeit, zurückzugehen.
Der rote Satz hat sich in meinem Kopf eingenistet (Acid, wer verwendet dieses Wort überhaupt noch?). Daheim verscheuche ich ihn mit Science Fiction von Octavia E. Butler. Gedankenflucht zum Einschlafen. Schön.
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