27. September 2021 – von Cornelia

Schon wieder läuft die Waschmaschine frühmorgens. Das monotone Rumpeln stört mich. An keinem Arbeitsplatz, den ich je hatte, ist es so still, wie an meinem Schreibtisch an einem Regentag, wenn die Balkontüre und die Fenster geschlossen sind. Trotzdem ist es mir zu laut. Zu unruhig. Zu.

Anschreiben gegen die Stille ist manchmal anstrengender als gegen die am Gang plaudernden Kolleg*innen, als gegen die Flüche, die es vom schnell beleidigten Drucker zu mir trägt, als gegen penetrant klingelnde Telefone.

Ein leerer, terminloser Tag ohne Deadline und Redaktionsschluss liegt vor mir. Ich muss ihn mit Vorbereitungen für einen Workshop füllen. Mein erster beruflicher Termin außer Haus seit Beginn der Pandemie. Die Inhalte beschäftigen mich an diesem Morgen weniger als meine Garderobe. Eineinhalb Jahre in Jeans und T-Shirt haben mir die Lust an den schönen Kleidern und Röcken in meinem Kasten verleidet. Ich verschiebe die Entscheidung auf morgen und weiß bereits jetzt, dass ich mich beim hastigen Packen darüber ärgern werde.

Mit der zweiten Tasse Kaffee lasse ich mich von den Ergebnissen des Wahlwochenendes noch ein wenig ablenken. Nicht von den großen, die ich gestern Abend aufgesogen habe, sondern von den kleinen. Ich suche die Auszählungsergebnisse der oberösterreichischen Landtagswahl in meiner Heimatgemeinde. Die Konservativen haben die meisten Stimmen erhalten. 341 insgesamt. 44 haben ihr Kreuz bei einer Corona leugnenden Kleinpartei gemacht, zwei bei der KPÖ – es sind seit Jahrzehnten dieselben zwei. Auch in Graz wurde gestern gewählt. Hier haben die Kommunist*innen gesiegt. „Radical Chic“ kommentiert das der Kollege aus der Innenpolitik heute auf der Titelseite.

Die Geräusche der Müllabfuhr vor dem Haus erinnern mich daran, die offenen Tabs zu schließen und mich den Präsentationsunterlagen zu widmen. Eine halbe Stunde muss zum digitalen Ankommen am Schreibtisch reichen. Eine fiktive Barriere zwischen Alltag und Arbeit. Ein konstruiertes Zwischen. Ohne diesen Übergang geht es nicht. Ich vermisse den physischen Arbeitsweg. Mit dem Rad den Kanal entlang, das Wasser, die Möwen, die Graffiti, das Surren der Stadt. Meine Bewegung.

Es klingelt. Halb eins. Wann ist die Zeit vergangen? Ich nehme ein Paket entgegen und schlüpfe gleich in Schuhe und Mantel, um mir am Markt ein Mittagessen zu besorgen. Wann ist es kalt geworden? Im Stiegenhaus muss ich umdrehen. Fast vergessen. Noch einmal zurück an den Schreibtisch. Gurgeln vor laufender Kamera. Auch so eine neue Routine seit ein paar Monaten. Die untere Schublade in der Vorzimmerkommode ist voll mit den blauen PCR-Testkits. Abgabe vor 14 Uhr, dann ist das Ergebnis innerhalb von 24 Stunden da. Ich schmeiße die kleine Schachtel in die Sammelbox in der Drogerie. Weil ich schon da bin, kaufe ich eine Packung Waschmittel und eine neue Wimperntusche. Am Heimweg bleibe ich kurz vor der kleinen Blutbuche stehen, in der es zwitschert und piepst und trillert. Ist es nicht zu früh für den Vogelzug?

Während ich nach dem Essen die Wäsche aufhänge, muss ich wie zuletzt öfters an diese eine Zeile aus einem Lied von Rigoberta Bandini denken. Difícil, sei es, schwer, in Zeiten von Despentes eine Frau zu sein. Wie meint sie das? Ich setze mich kurz ans Klavier. Weniger aus Muße, als um nicht sofort wieder zurück an den Schreibtisch zu müssen.

Der Nachmittag ist ein einziger Blick auf die Uhr.

Hast du Zeit, fragt die Freundin am Telefon. Wir verpassen uns seit Tagen. Ich klappe den Laptop zu und gehe in die Küche, um Kaffee zu kochen. Ja, hab ich. Als ich auflege, steht auch schon das Kind mit zwei Freundinnen vor der Tür. Ich schiebe die Pizzabrötchen ins Rohr und tröste unterdrückte Tränen ob der Schulsprecher*inwahl, die nicht wie erhofft ausgegangen ist. Aber jetzt schnell, treibe ich die drei nach dem Essen an. Pfadfinder*innenabend im Park. Welche Schuhe? Welche Jacke? Wie kalt ist es? Regnet es wieder? Ich begleite sie ein Stück und bringe dann ein Geburtstagspaket für das große Patenkind zur Post. Auf dem Weg dorthin meldet sich C. Hast du Zeit, fragt er. Gehen wir spazieren? Wieso nicht, sage ich. Um uns herum eilen Menschen von der Arbeit nach Hause, zum Bus, zur Straßenbahn, in die Supermärkte. Ich passe mich unbewusst ihrem Tempo an, bis mich C. bremst. So ist das immer. Wir haben es nicht eilig. Nein, stimmt, haben wir nicht.

Am Abend ist das Kind nach wie vor traurig. Die ersten Mandarinen der Saison muntern es nicht auf. Reden mag es auch nicht. Wir legen uns mit einem Buch nebeneinander zwischen die Decken und Pölster aufs Bett.

Freust du dich aufs Wegsein, fragt C. mich später. Aufs Übernachten im Irgendwo? Auf die Abwechslung? Nein, sage ich. Und wundere mich.

Beim Zähneputzen fällt mein Blick auf den übervollen Wäschekorb. Also stopfe ich vorm Schlafengehen noch das Bettzeug in die Maschine. Dann brauche ich morgen Früh nur mehr den Einschaltknopf drücken, denke ich.

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