Der Tag fängt zu früh an für einen Sonntag. Um Punkt 8 Uhr bin ich wach und auch ich scheine, je älter ich werde, um so früher aufzuwachen. Ein erster Blick fällt auf mein Handy und die sozialen Netzwerke. Meine Timeline ist durchzogen von Frustration bezüglich der Nominierung dieser „christlich“ erzkonservativen Richterin und den möglichen Konsequenzen, die den USA dadurch drohen können. Dieses Jahr ist schon so absurd und ich merke immer wieder, wie ich an die Grenzen meiner Belastbarkeit komme und wie das herannahende Grauen durch den Alltag zieht. Als würden immer mehr Demetoren die ganze Welt umhüllen. Gedanklich strafe ich mich für die HP Referenz ab, so sehr ich die Bücher liebe; diese Autorin zerstört gerade alles Gute, was es daran gab.
Ich bin müde, körperlich und geistig, und ich entschließe mich, noch ein bisschen Podcast hörend ins Bett zu kuscheln. Regen fällt aufs Dach und ich sehe aus dem Dachfenster die Wolken vorbeiziehen und die Baumspitze im Wind hin und her wippen. Sandi Toksvig trockener Humor, angenehme Stimme und ihr Motto „We will get past this” tun ihr Ding und ich nicke noch einmal ein.
Um 10 Uhr stehe ich doch auf, als erstes hole ich meine Winterdecke hervor und lege sie für den Abend bereit. Der Herbst ist da. Es wird zu kühl und die Heizung will ich doch noch nicht anmachen. Ich frühstücke eine käsefreie Pizzaschnecke, die ich gestern noch bei meinem Bäcker ergattert habe und mache es mir mit einem Kaffee auf der Treppe gemütlich und schaue auf die Baumwipfel des Parks hinaus. Seit Februar bin ich in dieser Wohnung und Stück für Stück erlaube ich mir doch mehr Möbelstücke zu kaufen, um richtig anzukommen. Ich klicke mich durch Sofa Optionen und finde doch keins das mir wirklich gefällt. Sie sind zu lang, zu kurz, zu niedrig, aus zu viel Polyester, zu teuer und überhaupt, ich habe doch seit meinem 19. Lebensjahr in keiner Wohnung mit Sofa mehr gewohnt, warum brauche ich jetzt wieder eins? Mein Rücken, der die Holztreppe doch nicht so bequem findet wie ich gerne hätte, erinnert mich wieder daran.
Kurz kommt der Gedanke auf, dass ich ja noch was arbeiten könnte, aber eigentlich sträube ich mich dagegen. Die Beförderung hatte nicht nur ihr Gutes, sondern ich werde zurzeit mit einer Menge an Verantwortung und Anfragen erschlagen, das ich kaum noch nachkomme. Ich wollte mehr Macht, jetzt muss ich wohl auch mit den Konsequenzen leben. Ich jage den Gedanken beiseite und suche nach umweltschonenden Möglichkeiten, den Ofen zu reinigen. Das Fett und Curry, das vor 2 Wochen beim Garen aus dem Topf spritzte, durchziehen den Ofen noch immer. Vorsichtig entnehme ich alle ausbaubaren Einsätze und Gitter aus dem Ofen und lege diese mit Soda in der Badewanne ein und pinsele den Ofen selbst mit einer Natronpaste. Ich räume Gegenstände von A nach B und wieder nach C. Der unfertige Stauraum unter der Treppe irritiert mich, aber ich habe meist nicht die Muße und nehme mir nicht die Zeit, um endlich mal Ordnung zu schaffen. Ich müsste dann noch das und dies tun und überhaupt. Der unfertige Zustand der Wohnung passt gerade zu mir, aber ich merke langsam wie sich Ideen und Entschlüsse formen und sich immer mehr Ungeduld einstellt.
13 Uhr: Ich hole die Wäsche vom Trockenboden und frage mich mal wieder, ob in diesem Haus wirklich noch andere Parteien wohnen oder ob einfach alle anderen unter der Woche ihre Wäsche waschen und aufhängen und ich einfach die einzige Person bin, die am Wochenende ihren Haushalt macht. Zwischendurch vertrödele ich die Zeit, wie es sich für einen Sonntag gehört, aber dann mache ich mich doch daran, den eingewirkten Ofen komplett zu reinigen. Das Eingebrannte geht überraschend leicht ab, vielleicht liegt es aber auch an der Wut, die ich empfinde, als ich die nächste Podcastfolge höre. Um die Stille zu überbrücken und die Gedanken in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, höre ich an Wochenenden meist Podcasts. Nachdem ich lange nur britischen und australischen Content auf den Ohren hatte, entdeckte ich neulich Rice and Shine und die Kanackische Welle. Dass so viele Menschen ähnliche Rassismuserfahrungen gemacht haben wie ich, ist irgendwie genugtuend (weil ich nicht alleine bin) und erschreckend zugleich (warum ist es so vielen von uns so ergangen). Beim Hören der Folge „Hamburg 1980: Als der rechte Terror wieder aufflammte“ ergreift mich wieder diese Müdigkeit. Es scheint sich nichts zu ändern und wenn, dann doch nur zum Negativen. Ich muss kurz wieder an den Titel des Films denken, den ich am Freitag mit meiner Schwester sah „What are you going to do when the world is on fire“. Und ich weiß es immer noch nicht.
15:30 Uhr: Ich wache vom meinem Nachmittagsnickerchen auf und entschließe mich, endlich mal wieder zu backen. Der saubere Ofen muss schließlich gewürdigt werden. Leise summe ich zu Sara Bareilles Songs mit und blättere durch meine Backbücher. Wenigstens mein Bücherregal steht fertig und eingeräumt da wo es stehen soll. Nach kurzer Prüfung, ob alle Zutaten im Haus sind, entschließe ich mich Chocolate Chip Cookies zu backen und mache mich ans Werk.
Die Teigproduktion wird unterbrochen, da meine andere Schwester anruft, wir sprechen kurz, aber dann fällt mir ein, dass ich ja noch gar nichts weiter gegessen habe. Es wird ein Salat mit allem, was der Kühlschrank hergibt und dazu schaue ich eine neue absurde K-Drama Serie „The Schoolnurse Files“. Die Serie erinnert mich ein bisschen an Buffy, bloß mit mehr Schleim und mehr Plastikschwert als Holzpflock.
18:00 Uhr: Nach zu vielen Folgen raffe ich mich doch auf und fange an, die Kekse zu backen. Laut Rezept sollte der Teig 2 Bleche ergeben – irgendwie werden es 6 Bleche und viel zu viele, aber leckere Kekse. Zwischen den Blechwechseln schaue ich doch noch eine weitere Folge und trinke ein Glas Wein gleich dazu.
21:00 Uhr: Die Küche hat wieder ihren grundsätzlichen Sauberkeitszustand erreicht und der Berg an Keksen durchzieht mit seinem Duft die gesamte Wohnung. Es gibt schlimmeres.
Jetzt durchzuckt mich doch mal kurz der Gedanke an die Arbeit und die vor mir liegende Woche und ich klappe das Laptop auf. Aus der geplanten Stunde werden zweieinhalb, aber dafür schaffe ich etwas weg, das ich schon viel zu lange vor mir hergeschoben hatte. Bevor ich dann doch schlafen gehen will, schaue ich noch einmal schnell auf meine privaten Mails und die Erinnerung zu „Ein Tag im Jahr“ ploppt auf. Ich überlege kurz, was ich überhaupt erzählen will, schließlich habe ich den ganzen Tag mit niemandem gesprochen oder überhaupt die Wohnung verlassen. Aber eigentlich ist das doch genau so wie ich mir einen idealen Sonntag im Herbst vorstelle.
23:30 Uhr: Ich liege im warmen Bett und höre noch ein bisschen Musik (Beethoven: Klavier Sonate No. 8 in C Moll OP 13) und ich schreibe mir gedanklich die ersten To Dos auf meine Liste für morgen. Irgendwann gewinnt die Müdigkeit und morgen ist ja auch noch ein Tag.
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